John Surtees ist der einzige Weltmeister auf zwei und vier Rädern. Zwischen 1956 und 1960 gewann der Brite in der 350 und 500 ccm Klasse nicht weniger als sieben WM-Titel, 1964 wurde er auf Ferrari Automobilweltmeister.
Im Lola-Rennstall nannte man ihn «Mister Spoiler», weil er am liebsten mit Heckflügeln und Spoilern experimentierte.
1951 feierte er im Alter von 17 Jahren sein Renndebüt bei einem Grasbahnrennen in Luton. 1953 gewann er 27 Motorradrennen bei 40 Starts, und 1954 waren es bei 55 Starts bereits 40 Siege. 1955 sass er im Sattel einer Werks-Norton und schlug den Grössten von damals, Geoff Duke. Aus 76 Starts holte er 68 Siege heraus. Die sieben WM-Titel gewann er alle auf MV Agusta. Surtees fuhr 1960 auf MV in der 350 und 500 ccm Klasse seinem sechsten und siebenten Titel entgegen, aber zwischendurch sass er bereits in einem Werks-Lotus.
Im März 1960 fuhr Jim Clark seinen ersten Lotus-Werkseinsatz, ein Formel Junior Rennen in Goodwood und mit ihm vom Start ging auch John Surtees, der einen Cooper lenkte.
1963 wurde Jim Clark Weltmeister, ein Jahr früher als der Motorrad-Champion, der jedoch im Rennwagen heimisch wurde, «wie eine Ente im Wasser», wie ihm Jimmy Clark attestierte.
1961 fuhr John für das Yeoman-Credit-Team einen Cooper, 1962 einen Lola, 1963 holte ihn Ferrari.
John, dieses feurige Arbeitstier, dieser Handwerker der Technik, gewissermassen ein menschlicher Computer, der seine Sensoren tief in den Stabis, Federn, Dämpfer, Bremsen, Lenkungen, Einspritzungen und Querlenker drinnen hatte, brachte die Roten wieder auf die Fahrspur der Sieger. Am Nürburgring gewann er den Grossen Preis von Deutschland.
«Wir hatten bei Ferrari unsere Höhen und Tiefen» bilanzierte Surtees, «doch insgesamt verbrachte ich bei Ferrari vergnügliche Jahre. Ich hatte einige ganz gute, einige durchschnittliche und ein paar ganz schlechte Autos.» 1964, in seinem Titeljahr, gewann er am Nürburgring und in Monza, in Zandvoort und Watkins Glen. In Mexico wurde er Zweiter, in Brands Hatch Dritter. 1965 hatte Ferrari mit seinem Zwölfzylinder Probleme, John plädierte für den V8 Rennwagen, Rang zwei in Südafrika, je zwei dritte Plätze in Clermont Ferrand und Silverstone waren für den regierenden Weltmeister eher ein Rückschritt.
Ende September 1965 passierte es. Nach einem Sieg in St.Jovite wollte er einen Gruppe7 Lola T70 für das Rennen in Mosport weiterentwickeln. Plötzlich brach im Training links vorne die Radnabe. Der Lola rotierte über die Leitschiene, John wurde herausgeschleudert, das Auto fiel auf ihn. Die schweren Lungenverletzungen waren lebengefährlich. Noch im Jänner 1966 ging er auf Krücken. Enzo Ferrari hatte John gut versichert, die Versicherung zahlte alle Spitalskosten. Sein Comeback im Jahre 1966 war glanzvoll: er gewann auf Ferrari die Grand Prix von Syrakus und Belgien sowie das 1000 km Rennen von Monza. Trotzdem endete seine Ehe mit Ferrari nach schwerwiegenden Differenzen mit dem Sportdirektor Dragoni abrupt und unerwartet. Er ging sofort zu Cooper und siegte in Mexico.
1967 und 1968 fuhr er für Honda, gleich im ersten Jahr siegte er in Monza, weil er das japanische Chassis gegen ein Lola-Fahrgestell ausgetauscht hatte, ein Projekt, wie es nur er mit seinem technischen Instinkt auf die Beine stellen konnte. 1969 war er bei BRM, die Saison war aber eine Katastrophe, ein dritter Platz in Watkins Glen war die Formel 1-Ausbeute, im Can-Am Cup fuhr er einen Chaparral 2H. Frustriert von anderen Teams begann er nun selbst Rennwagen zu bauen. Sein Opus 1 debütierte 1970 im Britischen Grand Prix von Brands Hatch, am Saisonende gewann er den Nicht-WM Lauf um den Gold Cup in Oulton Park. Doch seinen Eigenbau-Formel 1 Rennwagen blieben die grossen Erfolge versagt. Als er selbst noch im Cockpit sass, zog er je einen fünften Platz in Canada (1970) und in Holland (1971) an Land. Mit seinen Formel 2-Siegen in Fuji und Imola beendete er 1972 seine Karriere, um sich danach gänzlich seinen Eigenbau-Rennwagen zu widmen. 1972 fuhr Andrea de Adamich, 1973 Mike Hailwood und Carlos Pace, 1974 Jochen Mass, Pace Doolhelm und Derek Bell für ihn. In Watkins Glen verunglückte der Österreicher Helmut Koinigg auf einem Surtees tödlich, als die nicht angeschraubte Leitschiene beim Anprall zur Guillotine wurde.
1975 hiessen seine Piloten John Watson und Morgan, 1976 Jones, Lunger und Pescarolo. 1977 und 1978 hatte er Vittorio Brambilla im Cockpit, in Österreich holte er den einzigen WM-Punkt. 1979 gab es kein Surtees-Team mehr, die Zeit der Bastelstunden ging in der Formel 1 zu Ende.
Heute ist John Surtees immer noch eine begehrte Ikone: man engagiert ihn für historische Rennen, er testet alte Rennautos, er schwingt sich in den Sattel seiner MV Agusta Rennmaschinen, und er sieht in seinem Sohn seine Jugend wieder, indem er seine Rennfahrer-Karriere, die im Kart-Stadium ist, mit allen Mitteln fördert. Und wer hat schon einen siebenfachen Motorrad-Weltmeister und einen Automobilweltmeister als Helfer an der Box stehen?
Im Jahre 2001 steuerte John den berühmten Mercedes-Benz 300SLR, Stirling Moss` Siegerwagen der Mille Miglia 1955, über die gesamte Distanz der Ennstal Classic. Das war eine tolle Leistung in seinem Alter, denn die Strassen durch die Alpen haben Targa Florio Charakter. Man musste ihn gesehen haben, wie er Nachts mit dem Silberpfeil über verwunschene Alpenpässe ritt, immer flott unterwegs, tausendmal schaltend und immer Herr blieb, über das brutale Hammerwerk dieses Rennautos.
Unvergessen folgende Szene: der Mercedes-Benz 300SLR, sicher der legendärste aller Silberpfeile, parkt nachts an der letzten, noch offenen Tankstelle. Ein einsamer alter Mann steckt den Tankschlauch ins Heck. Er ist ganz allein. Der Mann ist nicht irgendwer, sondern es ist John Surtees. Im Neonlicht wirkt sein bleiches Gesicht noch viel bleicher, aber aus seinen blauen Augen wetterleuchtet die Leidenschaft des ewigen Racers.